PAAVO NURMI BEI DEN OLYMPISCHEN SPIELEN
ANTWERPEN 1920
Montag 16.8., 5000 Meter Vorlauf
Paavo Nurmis erster Auftritt in einer Olympia-Arena. Die ersten Vier kommen in den Endlauf, sodass Nurmi den Lauf locker angeht. Er beobachtet die Situation am Ende des Feldes, hört auf die Zwischenzeiten und legt kleine Zwischenspurts ein, um aufzuschließen. Ein entspannter Schlussspurt bringt Nurmia als Zweiten über die Ziellinie, mit einer Zeit von 15.33. Den Lauf gewinnt der Italiener Carlo Speroni in 15.27,6. Nurmis finnischer Rekord beim Olympiatest im Juli stand bei 15.00,5.
Dienstag 17.8. 5000 m Finale: SILBER
Der Start ist um 15:15 Uhr, die Luft windstill und schwül, Gewitterlage. Die zu hohen Eintrittspreise haben auf den Tribünen im Olympiastadion viele freie Flächen gelassen. Nurmis Taktik ist, seine schlimmsten Widersacher, die Schweden Eric Backman und Runar Falk, mit hohem Tempo zu ermüden. Nach drei Runden begegnet er Speronis Absetzbewegung, setzt sich an die Spitze und beschleunigt. Alle bleiben zurück, außer dem 20-jährigen Franzosen Joseph Guillemot. Die Zwischenzeit nach 3000 Metern liegt zwei Sekunden über der Weltrekordzeit von Hannes Kolehmainen bei den Olympischen Spielen von Stockholm 1912, aber Guillemot läuft dicht hinter Nurmi, der langsam abbaut. In der letzten Kurve holt der Franzose Nurmi ein und zieht dann vorbei. Der auf einen Schlusssprint nicht eingestellte Nurmi lässt abreißen und trottet nach genau 15 Minuten über die Ziellinie, 4,4 Sekunden hinter dem Sieger.
Donnerstag 19.8. 10 000 Meter Vorlauf
Die ersten Fünf kommen direkt ins Finale, und Nurmi versucht es mit möglichst wenig Aufwand. Er wird Zweiter, 60 Meter hinter dem Schotten James Wilson. Der Vorlauf von Nurmi ist der langsamste, mit einer Siegerzeit von 33.40,2. Nurmis eigener Rekord liegt bei 32.56,0, und Jean Bouins alter Weltrekord aus dem Jahre 1911 lag bei 30.58,8.
Freitag 20.8. 10 000 Meter Finale: GOLD
Auf Wunsch des belgischen Königs wurde der Lauf ein paar Stunden vorverlegt. Zuschauer gab es nur wenige. Der beim 5000 Meter-Lauf gegen Joseph Guillemot unterlegene Nurmi wählte eine vorsichtigere Taktik. Er lief auf den ersten Kilometern in der Spitzengruppe, ließ sich aber dann besorgniserregend weit hinter den falschen Mann zurückfallen, dem schnellsten aus den Vorläufen, Heikki Liimatainen, den aber im Finale die Kraft verließ. Gemeinsam mit dem Italiener Augusto Maccario schloss Nurmi vor dem letzten Kilometer auf die führenden Zwei, Wilson-Guillemot, auf. Zu Beginn der letzten Runde kämpften nur noch Nurmi und Guillemot um den Sieg. Nurmi hatte aus dem 5000-Meter-Lauf seine Lehren gezogen, ließ auf der Gegengeraden Guillemot vorbeiziehen, schlug aber in der letzten Kurve zurück und ließ den Franzosen sieben-acht Meter hinter sich. Die Siegeszeit betrug 31.45,8, mit der Nurmi seinen eigenen Rekord um über eine Minute unterbot. Im Ziel übergab sich Guillemot, der unwissend über die Verschiebung des Rennens kurz vor dem Lauf eine reichliche Mahlzeit zu sich genommen hatte, auf den Schuhen von Nurmi. Nurmi feierte seinen ersten Olympiasieg wie seine noch kommenden: er verließ nur wortkarg den Platz.
Montag 23.8. Geländelauf: Einzelwettbewerb: GOLD – Manschaftswettbewerb: GOLD
Der Geländelauf war bei den Olympischen Spielen von Antwerpen der letzte Leichtathletikwettbewerb.
Am vorangegangenen Tag hatte Hannes Kolehmainen den Marathon gewonnen, und im finnischen Team dachte man schon an die Abschlussfeier. Finnland kämpfte um den zweiten Platz in der Leichtathletik-Punktewertung mit Schweden, und die Mannschaftsleitung hob die Bedeutung des Geländelaufs hervor. Das Wetter war bewölkt und kühl, als sich 51 Männer auf der Startlinie drängten. Die acht Kilometer lange Strecke führte in der Nähe des Stadions über Pfade und Wiesen, aber sie zeigte keinerlei Höhenunterschiede. Paavo Nurmi, Joseph Guillemot und Eric Backman liefen von Anfang an an der Spitze. Im Verlauf der Strecke ließ der selbstsicher laufende Nurmi einen nach dem anderen hinter sich. Guillemot gab drei Kilometer vor dem Ziel wegen einer Fußverletzung auf. Kurz vor dem Stadium hatte Nurmi 50 Meter Vorsprung auf Backman, aber der Schwede verkürzte den Vorsprung und erreichte das Stadiontor als Erster. Nurmi beendete das Spiel aber 200 Meter vor dem Ziel und ließ den Schweden mit einem Schlussspurt hinter sich. Aufgrund der Bronzemedaille für Heikki Liimatainen und des sechsten Platzes von Teudor Koskenniemi gewann Finnland auch das Mannschaftsgold mit 10 Platzierungspunkten und einem klaren Abstand vor Großbritannien (21 Punkte) und Schweden (23 Punkte).
PARIS 1924
Dienstag 8.7. 5000 Meter Vorlauf
Paavo Nurmi begann die Olympischen Spiele entspannt. Zu Beginn lässt sich der Meister ans Ende des Feldes zurückfallen und kontrolliert gemeinsam mit Eino Seppälä das Tempo. Als das Publikum zu pfeifen beginnt, setzt sich Nurmi an die Spitze und kommt als Erster mit einer Zeit von 15.28,6 ins Ziel. Sein im Juni gelaufener Weltrekord lag bei 14.28,2.
Mittwoch 9.7. 1500 Meter Vorlauf
Nurmi konzentrierte sich ausschließlich auf die Kontrolle seines eigenen Tempos und das sollte reichen. Nach der ersten schnellen Runde lagen alle anderen schon weit zurück, und Nurmi läuft in der Zeit von 4.07,6 als Sieger ins Ziel. Sein Weltrekord vom Juni lag bei 3.52,6.
Donnerstag 10.7. 1500 Meter Finale: GOLD
An Paavo Nurmis großem Tag lag Paris unter einer Hitzeglocke. Das 5000-Meter-Finale lag vor ihm, sodass Nurmi seine Kräfte einteilen musste. Er vertraute auf seine Fähigkeiten: ist er doch schon am 19.6. eine Olympiazeit gelaufen. Auf dem Platz am Tiergarten Helsinki brach er für beide Strecken die Weltrekorde. Nurmi geht nach 200 Metern in Führung und beschleunigt schwindelerregend das Tempo. Nach 800 Metern liegt er nahezu 3 Sekunden über seiner Weltrekordzeit. Nur der Amerikaner Ray Watson versucht Schritt zu halten, aber in der Schlussrunde gibt er nach. Danach bremst Nurmi augenscheinlich ab und läuft die letzten 300 Meter locker ins Ziel. Die Siegerzeit bleibt nur eine Sekunde unter dem Weltrekord vom Juni. Das Hauptfeld verkürzt auf seinem Schlussspurt den Abstand auf zwanzig Meter. Watson muss seinen Mut teuer bezahlen, denn er fällt in der letzten Runde auf den siebten Platz zurück. Nurmi bereitet sich in aller Ruhe auf die 5000 Meter vor.
Donnerstag 10.7. 5000 Meter Finale: GOLD
Ursprünglich sollten die 5000 Meter eine Stunde nach Abschluss des 1500-Meter-Laufs gestartet werden. Der Zeitplan wurde dennoch geändert, und das Finale wurde zwischen die 400-Meter-Ausscheidungsläufe gelegt. Ville Ritola hatte schon zwei Goldmedaillen gewonnen, am Eröffnungstag über 10 000 Meter in neuer Weltrekordzeit und am Vortag über 3000 Meter Hindernis. Die finnische Mannschaftsführung hatte Nurmi nicht für den 10 000-Meter-Lauf nominiert, sodass die Männer nun zum ersten Mal aufeinander trafen. Der finnischstämmige Schwede Edvon Wide versuchte sich von seinen ehemaligen Landsleuten mit hohem Anfangstempo abzusetzen, aber Ritola folgte ihm und Nurmi lag noch im Hauptfeld etwas zurück. Wide lag bis 2000 Meter auf Weltrekordkurs, musste aber danach sein Tempo drosseln. Zur Hälfte setzte sich Nurmi an die Spitze, gefolgt von Ritola und Wide abgeschlagen. Nurmi und Ritola laufen die Schlussphase zusammen. Nurmi hat zeitweise einen Vorsprung von sieben Metern, aber Ritola schließt vor der Schlussrunde auf. Auf der Zielgeraden läuft Ritola Seite an Seite mit Nurmi, der aber den Schlussspurt ruhig kontert und die Ziellinie einen Meter vor seinem Kontrahenten in 14.31,2 erreicht.
Freitag 11.7. Vorläufe 3000 Meter Mannschaftswertung
Der Wettbewerb erfolgt mit sechs Läufern pro Mannschaft, von denen die ersten Drei in die Platzierungspunkte kommen. Im Vorlauf waren Großbritannien, Italien, Polen und Norwegen Finnlands Gegner. Paavo Nurmi und Ville Ritola laufen entspannt an die Spitze und warten auf der Zielgeraden auf den als dritten Laufenden Sameli Talaa. Das finnische Trio läuft hintereinander über die Ziellinie; Nurmis Siegerzeit ist 8.47,8. Finnland gewinnt den Vorlauf überlegen und zieht ins Finale ein.
Samstag 12.7. Geländelauf: Einzelwettbewerb: GOLD, Mannschaftswettbewerb: GOLD
Der Geländelauf bei der Pariser Olympiade wurde am heißesten Tag des Sommers ausgetragen. Das Thermometer zeigte in der Sonne 45 Grad, und auch die Gräser am Rande der Seine und das Gase ausstoßende Kraftwerk boten entlang der 10 650 Meter langen Strecke keinen Schatten. Von den 38 Gestarteten erreichten nur 15 das Ziel, von denen wiederum 8 auf Bahren das Stadion verließen. Edvin Wide begann mit hohem Tempo, Paavo Nurmi und Ville Ritola folgten. Nach 4,5 Kilometern ließen Nurmi und Ritola Wide hinter sich, der es auch nicht bis zum Ziel schaffte. Zwei Kilometer später hatte Nurmi schon einen Vorsprung, der bis zum Ende hin anwuchs, von hundert Metern. Nurmi, der nur etwas müde erschien, erreichte das Ziel anderthalb Minuten vor Ritola. Im Mannschaftswettbewerb ist der Sieg viel strenger geregelt. Es sah schon so aus, dass Finnland nicht die geforderten drei Männer ins Ziel bringen konnte, bis Heikki Liimatainen halb ohnmächtig ins Stadion stolperte. Völlig ausgepumpt erreichte der Mann aus Porvoo zum Schluss als Zwölfter das Ziel. Nur drei Mannschaften schafften es ins Ziel: Finnland gewann mit 11 Platzierungspunkten vor den USA (14) und Frankreich (20).
Sonntag 13.7. 3000 Meter Finale Mannschaftswettbewerb: GOLD
Paavo Nurmi und Ville Ritola begeben sich nochmal auf ein gemeinsames Rennen, als noch ein Großteil der Geländeläufer vom Vortag im Lazarett lag. Finnlands Finalgegner sind die USA, Großbritannien und Frankreich. Nach dem ersten Kilometer setzt sich Nurmi an die Spitze und hält diesen Platz bis zum Ende. Nur der Amerikaner Joie Ray versucht mitzuhalten, aber bricht schließlich zusammen. Ritola führt die Gruppe der Verfolger und setzt sich mit Beginn der letzten Runde von ihr ab. Nurmi läuft in 8.32,0 und Ritola verliert darauf 8,6 Sekunden. Als Elias Katz als Fünfter die Ziellinie überquert, gewinnt Finnland mit Abstand und 8 Platzierungspunkten Gold. Großbritannien gewinnt Silber mit 14 Punkten und die USA Bronze mit 25 Punkten. Paavo Nurmi ist somit in Paris sieben Rennen in sechs Tagen gelaufen, die er alle gewonnen und fünf Goldmedaillen errungen hat. Ville Ritola ist seinerseits acht Rennen in acht Tagen gelaufen und hat viermal Gold und zweimal Silber gewonnen.
AMSTERDAM 1928
Sonntag 29.7. 10 000 Meter Finale: GOLD
Die 10 000 Meter werden am Eröffnungstag der Leichtathletikwettbewerbe direkt als Finale gelaufen. Das Anfangstempo macht der Amerikaner Joie Ray. Paavo Nurmi und Ville Ritola beginnen ruhig. Nach 1500 Metern setzt sich Ritola an die Spitze, gefolgt von Nurmi und Edvin Wide. Zur Hälfte des Rennens ist das Trio schon hundert Meter vor dem Verfolgerfeld. Nach 6500 Metern fällt Wide zurück, und die Finnen laufen den Rest der Strecke zu Zweit. Ritola führt die ganze Zeit, aber Nurmi folgt ohne große Mühen. Mit Beginn der Zielgeraden holt Nurmi auf. Ritola versucht dagegen zu halten, aber Nurmis Schlussspurt ist schneller. Nurmi durchtrennt das Zielband 2,5 Meter vor Ritola; Wide gewinnt Bronze 45 Sekunden hinter den beiden Finnen. Nurmis Siegeszeit ist 30.18,8 und liegt damit 12 Sekunden hinter seinem eigenen Weltrekord.
Dienstag 31.7. 5000 Meter Vorlauf
Die ersten Vier kommen ins Finale, Nurmi ist nicht an einem Sieg des Ausscheidungslaufs interessiert. Eine Vierer-Spitzengruppe setzt sich schon nach 3000 Metern ab. Der Amerikaner Macauley Smith gewinnt die Ausscheidung, Edvin Wide wird Zweiter und auch der Brite Herbert Jonhnston überholt noch Nurmi auf den letzten Metern. Mit einem starken Schlussspurt versucht der Deutsche Kohn Nurmi noch den Finalplatz streitig zu machen, bleibt aber drei Meter zurück. Der vierte Platz im Vorlauf war die Schwächste Platzierung für Paavo Nurmi bei Olympischen Spielen.
Mittwoch 1.8. 3000 Meter Hindernisvorlauf
Nurmi war bei den einheimischen Olympiaqualifikationen über 1500 Meter nicht erfolgreich, und die Geländeläufe wurden aus dem Programm der Olympischen Spiele genommen. Er entschied sich für die Teilnahme beim Hindernislauf, den er nur zweimal vorher in seiner Karriere gelaufen war. Im Vorlauf wurde der erste Wassergraben zu seinem Verhängnis. Ein Spike des Laufschuhs blieb in der Hürde stecken. Nurmi überschlug sich, fiel im tiefsten Teil des Wassergrabens auf den Rücken und verrenkte sich seine Hüfte und seinen Fuß. Der Franzose Lucien Duquesne stoppte und half Nurmi aus dem Graben. Als Dank zog Nurmi seinen Helfer mit am Hauptfeld vorbei an die Spitze und ins Ziel. Auf der Zielgeraden bot Nurmi Duquesne noch den Gewinn des Vorlaufs an, doch der höfliche Franzose überholte nicht mehr den großen Meister.
Freitag 3.8. 5000 Meter Finale:SILBER
Die Vorläufe zum Hindernislauf hatten die finnischen Favoriten arg gebeutelt. Paavo Nurmis Hüftverletzung verschlimmerte sich so, dass sein linkes Bein nahezu versteifte. Auch Ville Ritola hatte seinen Knöchel erheblich verstaucht. Nurmi führte das Feld nach zwei Runden an und dicht auf seinen Fersen mit schmerzendem Fuß Ritola. Das Tempo reichte nicht, um sich vom Hauptfeld zu lösen, nach halber Strecke setzte sich Ritola verbissen an die Spitze. Einen Kilometer vor dem Ziel liefen noch dicht hinter Ritola und Nurmi Edvin Wide und der Amerikaner Leo Lermond. Als Ritola 600 Meter vor dem Ziel zum Spurt ansetzte, konnte nur Nurmi folgen. In der letzten Runde erwartete das Publikum schon eine Wiederholung des 10 000-Meter-Laufs. Anfang der Zielgeraden schloss Nurmi auf, aber zu aller Überraschung konterte Ritola mit einem fulminanten Spurt, den Nurmi nicht mehr aufnehmen konnte. Auf den letzten zehn Metern musste Nurmi noch um die Silbermedaille kämpfen, was ihm gegen den stark spurtenden Wide mit einem Meter Vorsprung gelang. Nach dem Wettkampf saß Nurmi lange auf dem Rasen, um sein schmerzendes Bein auszuruhen: so erschöpft hatte man ihn vorher noch nie gesehen.
Samstag 4.8. 3000 Meter Hindernis Finale: SILBER
Paavo Nurmi und Ville Ritola gingen aufgrund ihrer Verletzungen und des anstrengenden Laufs vom Vortag mit nicht allzu großen Hoffnungen auf die Strecke. Die lädierte Hüfte ließ Nurmi vor jedem Hindernis zurückfallen, aber dazwischen holte er immer wieder auf. Nach 2000 Metern stürmte Toivo Loukola an die Spitze und lief sich in einer Runde einen Vorsprung von 30 Metern heraus. Die Franzosen und Amerikaner orientierten sich an Nurmi, der das Hauptfeld anführte. Nurmi versuchte erst gar nicht an den Führenden aufzuschließen, sondern verzögerte dagegen den Lauf und hielt so die ausländischen Herausforderer hinter sich, um Loukola einen sicheren Vorsprung zu sichern. In der letzten Runde setzte sich Nurmi endlich vom Hauptfeld ab, und als noch Ove Andersen als Dritter über die Ziellinie lief, war Finnlands dreifacher Erfolg gesichert. Loukola lief einen neuen inoffiziellen Weltrekord. Nurmi lag neun Sekunden hinter ihm, aber seine Zeit von 9.30,8 lag unter dem vorigen Rekord.